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Viele Mythen und Volksmärchen in Nigeria drehen sich um die magische Kraft des Juju, mit dessen Hilfe verblüffende, scheinbar unerklärliche Phänomene erklärt werden. «Juju Stories» ist ein dreiteiliger Film, der sich dem in der nigerianischen Folklore und in modernen Legenden verwurzelten Juju widmet. Die Geschichten von C.J. Obasi, Abba Makama und Michael Omonua betrachten die uralten Glaubenssysteme und Aberglauben aus einer surrealen und zeitgenössischen Perspektive.
Ein dreiteiliger Anthologie-Film über magische Geschichten, die in der nigerianischen Folklore und modernen Legenden verwurzelt sind, geschrieben und inszeniert vom Kollektiv Surreal16. «Juju Stories» beleuchtet Juju im heutigen Lagos anhand von drei Geschichten. In «Love Potion» von Michael Omonua willigt eine unverheiratete Frau ein, mittels Juju den idealen Partner zu finden. In «Yam» von Abba Makama hat es ungeahnte Konsequenzen, als ein Strassenkind Geld vom Boden aufhebt. In «Suffer the Witch» von C.J. Obasi werden Liebe und Freundschaft zur Obsession, als eine junge Studentin das Interesse ihres Schwarmes auf sich zieht.
Während das Geburtsjahr des nigerianischen Kinos umstritten ist, gibt es keine grosse Debatte über das Jahr, in dem es den ersten grossen kommerziellen Erfolg erzielte. Das Jahr war 1992 und der Film hiess «Living in Bondage». Die Themen des Films – Liebe, Geiz, böswillige Spiritualität, christliche Erlösung – waren Teil des nigerianischen Vokabulars und dominierten in der Folge die Produktionen des Jahrzehnts. Und sie bleiben bis heute präsent: Noch immer berichten die Medien über junge Menschen, die sich im Streben nach Reichtum im Diabolischen versuchen; spirituelle Dinge flössen nach wie vor Furcht und Ehrfurcht ein.
Doch wenn Furcht und Ehrfurcht lange diktierten, wie das nigerianische Kino Geschichten über Spiritualität erzählte, so zeichnet sich der heutige Ansatz eher durch Pietätlosigkeit aus – obwohl diese keinesfalls einseitig ist. Jüngere Filmschaffende mögen die mystischen Überzeugungen ihrer filmischen Vorgänger:innen und ihrer eigenen Eltern infrage stellen, aber sie sind nicht bereit, deren Allgegenwärtigkeit in der Kultur zu ignorieren. Was auch immer sie von Spiritualität halten mögen, sie sind sich einig, dass sie zu ihrem Erbe gehört.
Michael Omonuas «Rehearsal» wirft einen frechen Blick auf dieses Erbe. Der Film zeigt eine Gruppe junger Leute, die Reaktionen auf einen falschen Priester üben, der vortäuscht, von Geistern besessen zu sein. Es ist nicht die Art von Geschichte, die Mainstream-Filmschaffende in den 1990er Jahren erzählt hätten. Auch die Methoden sind anders. So etwa das naturalistische Schauspiel, das eine Abkehr vom typischen Nollywood-Melodrama darstellt. Oder die indirekte Kritik an einer Religion, die in einem armen Land glühende Anhängerschaft findet, während ihre Anführer gewaltige Bauten errichtet haben, die man als kapitalistische Kathedralen bezeichnen könnte.
«Rehearsal» ist einer der Kurzfilme von Surreal 16, einem Trio, das mit seinen unkonventionellen Werken zum Gesicht des nigerianischen Non-Mainstream-Kinos geworden ist. In ihrem Dreiteiler «Juju Stories» widmet sich die Gruppe den Aberglauben aus ihrer Kindheit in den 1990er Jahren. In allen drei Geschichten müssen junge Leute die ungeahnten Folgen einer allzu grossen Nähe zum Mystischen ausbaden.
Weitere Filmschaffende mit Projekten jenseits des Mainstreams sind Femi Johnson und Ayo Lawson, das Duo hinter «Nightmare on Broadstreet». Der Film erzählt von einer Gruppe von Freunden, die in einem beliebten Freiluftlokal auf Lagos Island traumatisiert werden – bis zum Tod.
Während dieser Film seinen westlichen Einfluss schon im Titel trägt, sind andere diesbezüglich subtiler. Sonia Irabor und Lakin Ogunbanwo, die beide im Westen studiert haben, drehen Filme im Grenzbereich zwischen Kino und Kunstprojekten. Walé Oyéjidé wiederum nennt sowohl die nigerianische als auch die US-amerikanische Kultur als prägende Einflüsse.
Für diese Filmschaffenden, von denen einige auch Langfilme gedreht haben, bieten Kurzfilme die Möglichkeit, ausgefallene Ideen auszuprobieren – jenseits einer Mainstream-Struktur, wo sie möglicherweise nicht willkommen sind. Dies zeugt von einem anderen Ehrgeiz, als ihn die frühere Generation in den 1990ern an Tag legte. Zudem ist es ein Zeichen von Mut, denn es braucht ein gewisses Mass an Kühnheit – und vielleicht auch Ignoranz – um ausserhalb der etablierten Nollywood-Industrie zu arbeiten.
Dieser Mut hat auch seine Vorteile. «Egúngún (Masquerade)» von Olive Nwosu zum Beispiel erzählt eine quasi-queere Geschichte und dürfte deshalb in Nigeria keinen Verleih finden. Wer das im Voraus weiss, hat auch eine gewisse Freiheit beim Filmemachen. Wie für Nwosu, die nicht in Nigeria lebt, ist die Heimat für viele junge Filmtalente etwas, von dem es sich zu lösen gilt. Manche sehen Nollywood heutzutage als Genre und bestehen darauf, dass sie keine solchen Filme machen. Während sich das Kino der 1990er an ein lokales Publikum richtete, blicken die Cineasten von heute zumindest mit einem Auge Richtung Westen. Und während die Geschichten von früher oft in Dörfern spielten, beschäftigen sich viele junge Regietalente mit ihren Städten.
Ein letzter Unterschied betrifft die Nachwuchskräfte. Einst waren es informelle Lehren und Theater, die für den Nachwuchs im nigerianischen Kino sorgten; heute sind ausländische Filmschulen zu einer wichtigen Quelle geworden. Und wenn eine ausländische Ausbildung nicht möglich ist, schaut man sich halt westliche Filme an, um sich deren Lehren einzuverleiben.
Und doch hat die kommerzielle und kulturelle Dominanz des nigerianischen Kinos der 1990er Jahre seine ästhetischen Spuren hinterlassen. In Immaculata Abbas Dokumentarfilm «You Matter to Me» zeigt sich die Nollywood-Ästhetik in der Textur des Films und seinem Schauplatz in einem Dorf im Osten des Landes. Zudem geht es darin um die Familie, eines der Hauptthemen der Nollywood-Tradition.
Der Osten Nigerias ist auch Schauplatz von Dika Ofomas «A Quiet Monday». Es ist der einzige Kurzfilm in der Auswahl, der ein umstrittenes politisches Thema aufgreift, das immer noch Schlagzeilen macht, auch wenn der Ursprung des Problems in den 1960er Jahren liegt. Eine junge Schneiderin verspricht, an einem Montag zu liefern, wird aber auf dem Weg zu einem Kunden von zwei jungen Männern abgefangen – sie gehören einer bewaffneten Gruppe an, die sich für die Freilassung ihres inhaftierten Anführers einsetzt. Es kommt zu Gewalt.
Während die Hauptfiguren in «A Quiet Monday» fiktiv sind, ist die politische Atmosphäre des Films für die Bevölkerung Ostnigerias allzu real. Ofomas Geschichte zeigt, welche Tragödien möglich sind, wenn vermeintlich ferne politische Probleme in vertrauter Umgebung auftauchen.
Juju Stories
«Juju Stories» ist ein dreiteiliger Film, der sich dem in der nigerianischen Folklore und in modernen Legenden verwurzelten Juju widmet. Juju bezeichnet ein gezielt mit magischen Kräften versehenes Objekt oder die magische Kraft selbst. Der Begriff bezieht sich auch auf das Glaubenssystem, das die Juju-Zauberei umfasst. Juju ist von sich aus weder gut noch schlecht, sondern lässt sich für konstruktive ebenso wie für schädliche Zwecke einsetzen.
Die drei Geschichten von C.J. Obasi, Abba Makama and Michael Omonua – die in der Nigerian New Wave ein Kollektiv namens Surreal 16 bilden – packen Juju im zeitgenössischen Lagos auf ihre je eigene Weise an.
In Michael Omonuas «Love Potion» setzt eine unverheiratete Frau auf Juju, um den idealen Partner zu finden. Liebestränke sind beliebt in Nigeria, und gewisse Leute unternehmen grosse Anstrengungen, um sich mit Zaubersprüchen und Getränken die begehrte Person zu angeln. Ausgehend von dieser Idee ergründet der Film, wie sich das Verlangen nach einem Menschen vom realen Zusammensein unterscheidet.
In «Yam» von Abba Makama findet ein Strassenkind scheinbar zufällig Geld am Strassenrand. Die Geschichte basiert auf dem nigerianischen Aberglauben, wonach eine Person, die Geld vom Boden aufhebt, das ihr nicht gehört, in eine Yamswurzel verwandelt wird. Der Film nimmt diese Idee in einem Mix aus Horrorkomödie und magischem Realismus auf.
In «Suffer the Witch» von C.J. Obasi werden Liebe und Freundschaft zur Obsession, als eine junge Studentin das Interesse ihres Schwarms auf sich zieht. Der Film zeigt Hexen als alltägliche Menschen, die unter uns leben, selbstverständlich mit übernatürlichen Kräften, die sie zu guten oder schlechten Zwecken einsetzen können.
In Nigeria drehen sich zahlreich Mythen und Volksmärchen um Juju, mit dessen Hilfe verblüffende, scheinbar unerklärliche Phänomene erklärt werden. Die Erzählungen in «Juju Stories» betrachten diese uralten Glaubenssysteme und Aberglauben aus einer surrealen und zeitgenössischen Perspektive.
Die Internationalen Kurzfilmtage Winterthur sind das bedeutendste Kurzfilmfestival der Schweiz. Jeden November verwandeln wir die Stadt Winterthur für sechs Tage in eine Kurzfilmmetropole.
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Der Kurzfilm erscheint in allen Genres und kann unterschiedlich lang – oder eben kurz – sein. Einfachere Produktionswege machen es ihm möglich, den Zeitgeist und Strömungen rasch einzufangen und abzubilden. Der kurze Film kann unterhalten, überraschen, die Gesellschaft analysieren, eine politische Haltung einnehmen oder Einblick in uns fremde Welten geben.
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