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Die jüngere Generation nigerianischer Filmschaffender ist mit Nollywood, der Mainstream-Filmindustrie mit Sitz in Lagos, aufgewachsen und davon geprägt. Sie will jedoch Filme machen, die vielfältiger und vielschichtiger sind als das Nollywood-Kino. Das Programm widmet sich klassischen afrikanischen Themen auf eine neue, erfrischende Art, die das junge nigerianische Kino einzigartig macht. Uralte spirituelle Kräfte treffen hier auf das zeitgenössische Leben in Nigeria.
Nach den tödlichen End-SARS-Protesten in Nigeria, während der Covid-Pandemie und anhaltender Kampagnen für soziale Gerechtigkeit folgt «Àlááfíà Ni» dem Geist von Euphoria, der während der goldenen Stunden durch Lagos tanzt.
«Aje und Bruja» ist ein übernatürlicher Thriller, der in Lagos, Nigeria, spielt. Zwei Frauen, die über die uralte spirituelle Kraft der «Aje» (Mächtige Mütter) verfügen, begeben sich auf eine Rachemission.
Tagelang in seinem Zimmer eingeschlossen, ohne Schlaf und Kontakt zur Aussenwelt, oszilliert «das Mädchen» zwischen lustloser Realität und chaotischen Illusionen, die mittlerweile ebenso vertraut scheinen.
Dieser übernatürliche Thriller handelt von fünf Freunden, die sich in einem Museum im Freedom Park an der Broadstreet treffen, um dort abzuhängen und die Sehenswürdigkeiten zu bewundern. Doch sie werden zur Zielscheibe einer Maskerade, welche die Finsternis der Menschheit verkörpert. Der Film ist eine spannungsvolle Geschichte über Freundschaft und Überleben. Er thematisiert die finsteren Seiten und Charakterschwächen der Menschen mithilfe von Licht und Dunkelheit als Motiven.
Eine Achtjährige mit der Fähigkeit, Gefahren zu spüren, wird aus dem Sonntagsschulgottesdienst geworfen. Unbeabsichtigt entdeckt sie die Schattenseiten einer Megakirche in Lagos.
Ojo Aiku Lakin Ogunbanwo / Nigeria 2020 / 4'58" / DCP / Farbe / Yoruba / Fic
«Ojo-Aiku» ist eine filmische Reise durch Lagos, Nigeria, an einem Sonntag. Der Film zeigt die gegensätzlichen Perspektiven auf die Bedeutung des Tages für einen Jungen und seinen Vater.
Während das Geburtsjahr des nigerianischen Kinos umstritten ist, gibt es keine grosse Debatte über das Jahr, in dem es den ersten grossen kommerziellen Erfolg erzielte. Das Jahr war 1992 und der Film hiess «Living in Bondage». Die Themen des Films – Liebe, Geiz, böswillige Spiritualität, christliche Erlösung – waren Teil des nigerianischen Vokabulars und dominierten in der Folge die Produktionen des Jahrzehnts. Und sie bleiben bis heute präsent: Noch immer berichten die Medien über junge Menschen, die sich im Streben nach Reichtum im Diabolischen versuchen; spirituelle Dinge flössen nach wie vor Furcht und Ehrfurcht ein.
Doch wenn Furcht und Ehrfurcht lange diktierten, wie das nigerianische Kino Geschichten über Spiritualität erzählte, so zeichnet sich der heutige Ansatz eher durch Pietätlosigkeit aus – obwohl diese keinesfalls einseitig ist. Jüngere Filmschaffende mögen die mystischen Überzeugungen ihrer filmischen Vorgänger:innen und ihrer eigenen Eltern infrage stellen, aber sie sind nicht bereit, deren Allgegenwärtigkeit in der Kultur zu ignorieren. Was auch immer sie von Spiritualität halten mögen, sie sind sich einig, dass sie zu ihrem Erbe gehört.
Michael Omonuas «Rehearsal» wirft einen frechen Blick auf dieses Erbe. Der Film zeigt eine Gruppe junger Leute, die Reaktionen auf einen falschen Priester üben, der vortäuscht, von Geistern besessen zu sein. Es ist nicht die Art von Geschichte, die Mainstream-Filmschaffende in den 1990er Jahren erzählt hätten. Auch die Methoden sind anders. So etwa das naturalistische Schauspiel, das eine Abkehr vom typischen Nollywood-Melodrama darstellt. Oder die indirekte Kritik an einer Religion, die in einem armen Land glühende Anhängerschaft findet, während ihre Anführer gewaltige Bauten errichtet haben, die man als kapitalistische Kathedralen bezeichnen könnte.
«Rehearsal» ist einer der Kurzfilme von Surreal 16, einem Trio, das mit seinen unkonventionellen Werken zum Gesicht des nigerianischen Non-Mainstream-Kinos geworden ist. In ihrem Dreiteiler «Juju Stories» widmet sich die Gruppe den Aberglauben aus ihrer Kindheit in den 1990er Jahren. In allen drei Geschichten müssen junge Leute die ungeahnten Folgen einer allzu grossen Nähe zum Mystischen ausbaden.
Weitere Filmschaffende mit Projekten jenseits des Mainstreams sind Femi Johnson und Ayo Lawson, das Duo hinter «Nightmare on Broadstreet». Der Film erzählt von einer Gruppe von Freunden, die in einem beliebten Freiluftlokal auf Lagos Island traumatisiert werden – bis zum Tod.
Während dieser Film seinen westlichen Einfluss schon im Titel trägt, sind andere diesbezüglich subtiler. Sonia Irabor und Lakin Ogunbanwo, die beide im Westen studiert haben, drehen Filme im Grenzbereich zwischen Kino und Kunstprojekten. Walé Oyéjidé wiederum nennt sowohl die nigerianische als auch die US-amerikanische Kultur als prägende Einflüsse.
Für diese Filmschaffenden, von denen einige auch Langfilme gedreht haben, bieten Kurzfilme die Möglichkeit, ausgefallene Ideen auszuprobieren – jenseits einer Mainstream-Struktur, wo sie möglicherweise nicht willkommen sind. Dies zeugt von einem anderen Ehrgeiz, als ihn die frühere Generation in den 1990ern an Tag legte. Zudem ist es ein Zeichen von Mut, denn es braucht ein gewisses Mass an Kühnheit – und vielleicht auch Ignoranz – um ausserhalb der etablierten Nollywood-Industrie zu arbeiten.
Dieser Mut hat auch seine Vorteile. «Egúngún (Masquerade)» von Olive Nwosu zum Beispiel erzählt eine quasi-queere Geschichte und dürfte deshalb in Nigeria keinen Verleih finden. Wer das im Voraus weiss, hat auch eine gewisse Freiheit beim Filmemachen. Wie für Nwosu, die nicht in Nigeria lebt, ist die Heimat für viele junge Filmtalente etwas, von dem es sich zu lösen gilt. Manche sehen Nollywood heutzutage als Genre und bestehen darauf, dass sie keine solchen Filme machen. Während sich das Kino der 1990er an ein lokales Publikum richtete, blicken die Cineasten von heute zumindest mit einem Auge Richtung Westen. Und während die Geschichten von früher oft in Dörfern spielten, beschäftigen sich viele junge Regietalente mit ihren Städten.
Ein letzter Unterschied betrifft die Nachwuchskräfte. Einst waren es informelle Lehren und Theater, die für den Nachwuchs im nigerianischen Kino sorgten; heute sind ausländische Filmschulen zu einer wichtigen Quelle geworden. Und wenn eine ausländische Ausbildung nicht möglich ist, schaut man sich halt westliche Filme an, um sich deren Lehren einzuverleiben.
Und doch hat die kommerzielle und kulturelle Dominanz des nigerianischen Kinos der 1990er Jahre seine ästhetischen Spuren hinterlassen. In Immaculata Abbas Dokumentarfilm «You Matter to Me» zeigt sich die Nollywood-Ästhetik in der Textur des Films und seinem Schauplatz in einem Dorf im Osten des Landes. Zudem geht es darin um die Familie, eines der Hauptthemen der Nollywood-Tradition.
Der Osten Nigerias ist auch Schauplatz von Dika Ofomas «A Quiet Monday». Es ist der einzige Kurzfilm in der Auswahl, der ein umstrittenes politisches Thema aufgreift, das immer noch Schlagzeilen macht, auch wenn der Ursprung des Problems in den 1960er Jahren liegt. Eine junge Schneiderin verspricht, an einem Montag zu liefern, wird aber auf dem Weg zu einem Kunden von zwei jungen Männern abgefangen – sie gehören einer bewaffneten Gruppe an, die sich für die Freilassung ihres inhaftierten Anführers einsetzt. Es kommt zu Gewalt.
Während die Hauptfiguren in «A Quiet Monday» fiktiv sind, ist die politische Atmosphäre des Films für die Bevölkerung Ostnigerias allzu real. Ofomas Geschichte zeigt, welche Tragödien möglich sind, wenn vermeintlich ferne politische Probleme in vertrauter Umgebung auftauchen.
Beyond Nollywood: Spiritual Connections and the Power of the Mystical
Beim nigerianischen Kino denkt man meist an Nollywood, eine Filmindustrie, die zu den grössten und produktivsten der Welt zählt. Ab den 2000er Jahren entwickelte sich Nollywood rasant und wurde hauptsächlich für seine kostengünstigen, schnell produzierten und inhaltlich vielfältigen Filme bekannt. Die Veröffentlichung auf VHS-Kassetten und später auf Video-CDs machte diese Filme für ein breites Publikum erschwinglich und zugänglich. Allerdings führte die Dominanz der Vermarkter, die sowohl den Vertrieb als auch die Produktion kontrollierten, zu einer negativen Entwicklung: Die Qualität der Filme sank und die Branche konzentrierte sich verstärkt auf kommerziell erfolgreiche Genres, mehrheitlich tragische Dramen, romantische Filme oder Actionfilme mit billigen Effekten.
Beyond Nollywood präsentiert Werke der jungen Generation, die mit Nollywood-Filmen aufgewachsen ist oder sie zumindest kennt. Die jüngeren Filmschaffenden spielen oft ironisch auf die Nollywood-Ästhetik an, aber ohne sie zu reproduzieren, denn sie wollen vielfältigere und vielschichtigere Filme machen. Zwischen lokalen Produktionen und nigerianischen Filmschaffenden in der Diaspora eröffnet sich derweil ein Spannungsfeld, unter anderem, da letzteren grössere Budgets zur Verfügung stehen. Andererseits verschaffen die nigerianischen Projekte aus dem Ausland, die einen hohen Produktionswert haben, den lokalen Produktionen durch die Aufmerksamkeit, die sie auf internationaler Ebene erhalten, Zugang zum Weltmarkt. Die in Nigeria realisierten Projekte zeigen sich zudem erfinderisch, um die häufig fehlenden Geldmittel wettzumachen – so hat das Land eine Generation von Filmschaffenden mit gestärktem Selbstbewusstsein hervorgebracht.
Das Programm beinhaltet eine breite Palette an Genres, in denen sich eine faszinierende Welt geprägt von Spiritualität und Glauben, Traditionen und Bräuchen entfaltet. Wir begegnen Masken, Wunderheilungen und Geistern. Uralte spirituelle Kräfte treffen hier auf das zeitgenössische Leben in Nigeria. Klassische afrikanische Themen werden auf eine neue, erfrischende Art aufgegriffen, die das junge nigerianische Kino einzigartig macht.
Die Internationalen Kurzfilmtage Winterthur sind das bedeutendste Kurzfilmfestival der Schweiz. Jeden November verwandeln wir die Stadt Winterthur für sechs Tage in eine Kurzfilmmetropole.
An den Kurzfilmtagen gibt es für alle etwas zu entdecken: Wir zeigen sorgfältig zusammengestellte Kurzfilmprogramme zu aktuellen Geschehnissen oder zu Themen, die unseren Kurator:innen unter den Nägeln brennen. Die Wettbewerbsblöcke fühlen den Puls des aktuellen, weltweiten Filmschaffens und die Installationen, Performances und weiteren Specials machen audiovisuelle Formen in ihrer ganzen Vielfalt erlebbar. Ein Rahmenprogramm mit Konzerten, Lesungen und mehr erweitert das Festivalerlebnis.
Der Kurzfilm ist nicht einfach ein kürzerer Film. Er ist eine eigene Kunstform, die wir mit unserem Festival jährlich in den Fokus stellen.
Der Kurzfilm erscheint in allen Genres und kann unterschiedlich lang – oder eben kurz – sein. Einfachere Produktionswege machen es ihm möglich, den Zeitgeist und Strömungen rasch einzufangen und abzubilden. Der kurze Film kann unterhalten, überraschen, die Gesellschaft analysieren, eine politische Haltung einnehmen oder Einblick in uns fremde Welten geben.
Wir bündeln unsere Kurzfilme in thematischen Programmen oder nach bestimmten Sektionen, wie z.B. unsere Wettbewerbe, und stimmen die Filme und Reihenfolge aufeinander ab. Für den Kurzfilmgenuss gibt es somit nur eine Voraussetzung: die Neugierde, Neues zu entdecken und sich überraschen zu lassen.