Installationen, Performances und Ausstellungen lassen das Medium Film in ungewohnter Form entdecken.
Hannes Schüpbach:
Instants, Essais, InterventionsHannes Schüpbachs Film «Instants» (2012) eröffnet mit einem Stillstand, der ins Herz des Mediums Film zielt: weder Ton noch Bewegung, ein Wald – aber wo bleibt das Rauschen? – und ein junges Mädchen mitten im Sprung, festgehalten in der Luft. Dazwischen: schwarze Intervalle. Dann – wir sitzen schliesslich im Kino! – die Erlösung: fliessendes Wasser und eine Hand, die sich ins Bild, ins kühle Nass hinein bewegt und wieder aus der Kadrierung entschwindet.
«Stills and Movies» hiess 2009 Schüpbachs erste grosse Schweizer Einzelausstellung in der Kunsthalle Basel. Movie, so lehrt uns der englische Begriff für Film, ist ein Medium der Bewegung. Ob sich in der Aufnahme selbst etwas bewegt oder ob der Film vorwärts oder gar rückwärts abgespielt wird, spielt dabei keine Rolle: Die Zeit unserer Wahrnehmung schreitet voran. «Time is our name for an irreducible condition of our perception of phenomena», schreibt der amerikanische Avantgarde-Filmemacher Hollis Frampton. «Therefore, statements that would separate the notion of time from some object or direct perception are meaningless» (zu Eadweard Muybridge, in «Circles of Confusion»). Stillstand und Schwarzbild, unterbrochene Bewegung, Wiederholungen in leichter Verschiebung bilden die Irritationsmomente im ästhetischen Vergnügen von Schüpbachs Filmen, die eine bewusste, sinnliche Wahrnehmung seiner Kunst hervorrufen.
Keine Wahrnehmung ohne Zeit also – eine Erkenntnis, die der französische Philosoph Henri Bergson bereits vor der Geburtsstunde des Mediums Film in seiner 1889 publizierten Dissertation ausgearbeitet hat. Neben «le temps», also der Zeit als messbarem Intervall von beispielsweise 16 Minuten Film, interessierte sich Bergson vor allem für das, was er als «la durée», die Dauer, bezeichnete: Die Dauer schreitet nicht linear voran wie die Zeit, sondern muss als prozesshafte Grösse in der Beziehung von Zeit und Raum definiert werden. Schüpbachs Filme, deren «Bilder durch schwarze Übergänge aus der linearen Zeit herausgelöst» werden, wie der Künstler selbst schreibt, aktualisieren dieses Konzept der Dauer. «Die qualitative Heterogenität unserer aufeinanderfolgenden Wahrnehmungen des Universums beruht darauf, dass jede dieser Wahrnehmungen sich bereits über eine gewisse konkrete Dauer erstreckt, dass in jeder das Gedächtnis eine ungeheure Mannigfaltigkeit von Erschütterungen so verdichtet, dass wir sie alle auf einmal gegenwärtig haben, obgleich sie doch eine auf die andere folgen», so Bergson in «Materie und Gedächtnis».
Musik und Sprache zeichnen sich durch den gleichen Mechanismus der Verdichtung, des Zusammenwirkens von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aus wie der Film; auch sie sind nur in der Dauer erfahrbar. So sind Schüpbachs Filme, obwohl tonlos, denn auch alles andere als stumm. Hören wir im Sehen hin, schwingen Musik und Sprache in der Form seiner Filme stets mit. Diese interdisziplinäre Komponente, das Aufbrechen von Grenzen zwischen den verschiedenen künstlerischen Disziplinen, ist zentral für Schüpbach, der nicht nur filmt, sondern auch installativ arbeitet sowie schreibt und übersetzt. Die Präsentation zweier Werke von Schüpbach an den Kurzfilmtagen lässt diese Affinitäten zwischen Film, Musik, Sprache und Denkbewegung in einer performativen Intervention aufleben: Die Filme «Instants» und «Essais» werden umrahmt durch eine kurze Lesung von Gedichten seiner Weggefährten Joël-Claude Meffre und Werner von Mutzenbecher. Als Gäste begrüsst Hannes Schüpbach zu diesem Abend den Cellisten Flurin Cuonz (Protagonist in «Essais») und für das Gespräch den Künstler und Pionier des Künstlerfilms Werner von Mutzenbecher, bei dem er in Basel studiert hat.
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